Ein Engel namens Valentin

Eine wahre Geschichte

 Ich sitze mit meiner Schwester Babsy in der Pizzeria da Fabrizio in Memmingen und klage ihr mein Leid. Ich muss es einfach mal loswerden, was mich in den letzten Wochen alles so belastet hat. Dabei hatte das Jahr doch so zuversichtlich angefangen. Und entspannt. Es war ganz klar, in den ersten Wochen habe ich ausser meine Dienste und Studio Aufnahmen mit dem Schulte/Hummel Planetenmusik Projekt weit und breit nichts weiter vorgehabt, ausser Freundinnen zu treffen, mal in die Malgruppe zu gehen und meiner einzigen Schlagzeugschülerin Ingrid zwischendurch  Unterricht zu geben und mich auf die Aufnahmen vorzubereiten.

Und dann musste T., "meine" Rollstuhlfahrerin, deren eine Assistentin von fünfen ich bin (mein verehrter Job, der die Künstlerin sinnvoll über Wasser hält) plötzlich ins Krankenhaus. Und auf einmal durfte ich einspringen, habe massive Sorgen um sie und die Dienstpläne ändern sich, was zunächst noch machbar schien, weil ich bis dahin überzeugt war, flexibel zu sein. 

Aber dann verlässt am Sonntagmorgen den dreißigsten Januar mein alter, kranker Vaters diese Welt für immer und ich kann mich nicht mehr an den etwas schwierigen Dienstplanungen mit sowieso schon Personalmangel beteiligen, sondern muss mich kümmern, organisieren, mit Familie und Freunden meines Vaters telefonieren, mich Erkenntnissen, Erinnerungen, Klärungen und Trauer stellen...

Und trotzdem immer die Sorge um T. und das ungute Gefühl, ihr jetzt erstmal für eine kleine Weile nicht mehr besonders hilfreich sein zu können...

Dann endlich am heutigen Montag den vierzehnten Februar die Reise mit meiner Schwester in unsere alte Heimat, um uns dort in zwei Tagen endgültig von unserem Vater im Waldfriedhof zu verabschieden. 

Am Valentinsmorgen aus dem Zug geschaut

Wenn auch der Anlass traurig ist, so freue ich mich darauf, mit meiner lieben Schwester Zeit zu verbringen. Weil ich aber eine unverbesserliche Nachteule bin und viel zu lange gepackt habe, habe ich kaum geschlafen, als ich früh morgens in den Zug steige und die üblichen Verspätungen und Umplanungen der deutschen Bahn machen es auch nicht leichter. Anspannung, wenig trinken, seltsame Rinderbrühwurst unterwegs verspeist und mit Schwesterherz im Zug Mau Mau gespielt statt zu schlafen...es war auf jeden Fall keine langweilige Reise, obwohl sehr weit. Abwechslungsreich, anstrengend und schön

In Darmstadt hatten wir uns am Hauptbahnhof getroffen, um gemeinsam weiter zu reisen und genossen jetzt unsere gemeinsame Zeit trotz Verspätungen und Ungewissheit, wann wir denn schließlich unser Ziel erreichen werden. 

Jetzt schreibe ich das alles im Hotelbett, wir sind also gut angekommen in Memmingen. 

Aber es gab am Abend einen Moment, da muss ich meiner Schwester Sorgen bereitet haben, weil ich so extrem blass wurde und vor Erschöpfung leicht abwesend erschien. Das war in der Pizzeria bevor die Pizza endlich kam. Babsy machte eine Bemerkung, weil ich wohl genau so fertig aussah, wie ich mich auch fühlte und da konnte ich nicht anders und begann ihr mein Herz auszuschütten und ihr (und mir) zu erklären und ausführlich die Ursachen zu beschreiben, warum ich in so einer Verfassung bin. 

Kurz gesagt, ich geriet in einen wahren Jammerschwall. In eine Abwärtsspirale der negativen Analysen meines Zustands.  Sekundenschnell hatte ich mich so richtig warm geklagt, mein anstrengendes Leben und meinen Kummer deutlich vor Augen. Gegen den herannahenden Unterzucker musste wohl unbedingt das gesamte Unglück auf den Tisch... 

 - Da steht auf einmal ein blondes Jüngelchen das gerade mit dem Kopf über meine Restaurant-Tischkante schauen konnte, vor mir und fragt mich laut und deutlich und mit ernsten Augen "Wie heißt Du?"

Da war es vorbei mit der Jammerei.

Ich heiße Gala und wie heißt Du? Valentin. Hallo Valentin! Und das ist meine Schwester Babsy. Hast Du auch eine Schwester?  Kopfschütteln. Und einen Bruder? Nein. Warum? Ich frag die Mama. Rennt rüber zum Tisch der lächelnden Eltern und fragt und kommt zurück. Weil sie arbeiten müssen.

Aha. Aber Freunde hast Du doch? Nein. Gehst Du nicht in den Kindergarten? Nein. Wie alt bist Du denn? Er zeigt drei Finger. Dafür bist Du aber schon richtig groß. Aber Dinosaurier sind noch viel größer, sagt er. Aber es gibt ja keine mehr. Warum gibt es denn keine mehr? frage ich ihn. Er nuschelt etwas, das Babsy als "Vulkanausbrüche" übersetzt. Ja, er sagte wirklich Vulkanausbrüche! Aha. Naja, vielleicht ist es auch besser so, dass es keine mehr gibt, sage ich, denn die waren schon ganz schön groß. Und manche haben Fleisch gegessen, sagt er. Das will ich jetzt nicht vertiefen und mich mit ihm in Jurassic Park Phantasien stürzen. Also frage ich ihn, woher wir eigentlich wissen, wie Dinosaurier ausgesehen haben? Weil es welche im Museum gibt, sagt er. Schlaues Kerlchen. Ja sage ich, weil man Knochen von ihnen gefunden hat und deshalb kann man sich vorstellen und ausrechnen, wie groß sie waren und wie sie ausgesehen haben.

Hier verläuft sich das Gespräch. Außerdem muss ich ja auch essen, um mich zu stärken und Valentin kriegt Ärger von den Eltern, weil er auf die frisch eingedeckten Nebentische fasst und er läuft wieder hin und her und fragt an einem anderen Tisch: wie heißt Du?

Statt eines Fotos vom Engel Valentin ein Häkelsumsi aus einem nächtlichen Memminger Schaufenster von unserem Nachhauseweg

Ich bin entzückt und ganz bewegt. Was für eine hübsche Lektion! Just als ich mich ins Jammern stürzen wollte an einem schönen Valentinstag, den ich mit meiner lieben Schwester in unserer alten Heimat feiern durfte (trotz des traurigen Anlasses), kommt so ein kleiner Engel namens Valentin herbei und stupst mich aus dem Jammertal, erfreut mein Herz und bringt mich zurück in den Augenblick.


Genau so war es gewesen und das wollte ich der Welt jetzt unbedingt erzählen.

Vielen Dank und Gute Nacht!

Blogg 'n Roll!


Kommentare

  1. Liebe Grüße aus Heide und nett von Dir zu hören wie erfrischend kleine Menschen sind. Ich hab heute von meiner kleinen Tochter geträumt sie war so süß wie ich sie in Erinnerung habe. Schön Tag. Anette

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieben Dank für Deine Worte. Ich weiß leider gerade nicht, wer Du bist, weil mir nicht einfällt wo der Ort Heide liegt...

      Löschen

Kommentar veröffentlichen