Wie ich Göttin Gala wurde

 

 

Foto: Jassin Eghbal

Wie ich Göttin Gala wurde

„… aber Du bisch doch a Mädle!“ rief meine Mutter, als ich ihr vierzehnjährig eröffnete, dass ich gerne Schlagzeugspielen lernen möchte. Damit hatte es sich. Ein Mädchen spielt doch kein Schlagzeug! Ich frage mich heute noch, warum ich damals nicht weiter gequengelt habe. Wahrscheinlich merkte ich direkt am Ton meiner Mutter, dass ich keine Chance habe. Wir waren vier Kinder und das Geld war knapp, so erklärte sie es mir viele Jahre später. Sie hätte es mir angeblich gerne gegönnt, aber die Konsequenzen des Schlagzeugspielens – Unterrichtskosten, ein Instrument und einen Raum, in dem das Kind üben kann - das ging wohl über das Budget. Und über die damalige kleinbürgerliche Vorstellungskraft, was ein Mädchen alles tun kann und soll - und was nicht.

  Weil meine ältere Schwester Elvira nämlich eines Tages die Langspielplatte „Deep Purple - Made in Japan“ mit nach Hause gebracht hatte. An einem Nachmittag, als alle ausgeflogen waren, hatte ich sie auf den Plattenspieler im guten altdeutschen Wohnzimmereinbauschrank und mich selbst auf die vom TV-Schauen eingesunkene senfgelbe Couch gelegt und hörte zu. Und dann kam dieses Schlagzeugsolo von Ian Paice bei dem Song „The Mule“ und ich begann zu fliegen. In so einem Zustand war ich noch nie gewesen! Trance! Glück! Extase! Danach wusste ich, dass ich Schlagzeugspielen möchte. Aber ich durfte nicht.

  Die Jahre vergingen und das Kind hatte ja auch noch viele andere Interessen, musste zur Schule, zur Leichtathletik, Theater spielen, fotografieren, sich verlieben, Abi machen, jobben und auf Reisen gehen…

  Erst als ich etwa zwanzigjährig beim Studium der Theaterwissenschaften in Erlangen meine zweite große Liebe Tamás Michael Bölcskei (RIP) kennenlernte, kam das Thema wieder auf. Er spielte E-Gitarre und sang bei den „Pseudoelectronixx“, schrieb eigene Songs  und sein Künstlername war „Karl Arsch“. Die allererste Jamsession meines Lebens machte ich mit ihm und es gibt eine legendäre Kassettenaufnahme davon, auf der ich verrückte Texte zu seinen elektronischen, verhallten Gitarrensounds improvisierte. Zum Beipiel „Zeig mir Deinen Zipfel und ich sag Dir wer Du bist! Denn ich bin der Zipfelguru!“ Krass, was ich mich alles traute, nur weil ich ein Mikro in der Hand hatte!

  Diese Session war genial, das ist sie bis heute noch. Und historisch in meinem Leben. Ich glaube, Tamás war genauso begeistert von meinen künstlerischen Talenten wie ich von seinen. Als ich ihm erzählte, dass ich schon als Teenie gerne Schlagzeug lernen wollte, ermutigte er mich, mir doch wenigstens schon mal ein paar Congas zu holen. Die könne ich zur Not ja auch zu Hause spielen und es gab da ein paar günstige zu kaufen… Gesagt getan. Ich besuchte einen Trommel-Workshop und fing sofort an, Lieder mit Congas zu improvisieren. Damals nahm ich auch Gesangsunterricht und mein Lehrer (leider habe ich seinen Namen vergessen) schien auch ziemlich beeindruckt von meinem kreativen Potential. 

 Mit Tamás und ein paar Freunden gründeten wir die erste Band meines Lebens: „Staatsfeind Nummer Eins“. Leider bestand sie nicht sehr lange. Es gab wohl Unstimmigkeiten, ich weiß es nicht mehr. Doch ich erinnere mich genau, dass ich damals dachte, Bands können auseinandergehen, also muss ich - wenn ich auf die Bühne will - auch in der Lage sein, das allein zu tun. Denn ich hatte Blut geleckt!

 Ein Nebenfach im Studium war Neuere deutsche Literaturgeschichte. Dort wurde ein Kurs zum Thema „Selbstgeschriebenes“ angeboten. Da ging ich natürlich hin. Ich hatte ja schon ein paar Texte geschrieben, die ich dort mit den Congas vortrug. Ich erntete Lob, also beschloss ich mich bei einem Newcomer Festival im Kulturzentrum „E-Werk“ anzumelden. Auf dem Weg dorthin erlebte ich eine unvergessliche göttliche Inspiration: Eine innere Stimme sagte laut und deutlich  „Göttin Gala“! Ich muss mich Göttin Gala nennen!“ Dann sofort die Stimme des Zweifels: „Aber das kannst Du doch nicht machen! Das ist doch total überheblich!“ Aber die göttliche Stimme der Muse war stärker: „Nein! Göttin Gala klingt gut! Sehr gut sogar!“

  Da war ich auch schon im Büro des E-Werk angekommen und als die Sekretärin mich fragte, wie das Soloprogramm denn heiße, das ich da vortragen will, antwortete ich todesmutig  “Göttin Gala!“. „Das klingt ja ganz schön arrogant!“ pikierte sich die Dame, wie befürchtet. „ Nein, ich finde es lustig“ erwiderte ich trotzig. „Na denn!“ „Göttin Gala – Solo also.“ „Ja!“ Etwas beschämt und gut gelaunt zur gleichen Zeit ging ich wieder von dannen.

  "Göttin Gala und Karl Arsch" stand dann in der Ankündigung zu dem Festival. Mein Freund Tamás hatte sich auch für einen Soloauftritt an diesem Abend angemeldet. Meiner wurde eine mittlere Katastrophe. Ich hatte nämlich auch einen Song mit Westerngitarre im Programm, die ich kaum spielen konnte, weshalb ich einen Krampf in die rechte Hand kriegte. Bald gab es Gelächter, Bierdeckel  und Kronkorken aus dem Publikum. Bestimmt auch  Applaus, die Stücke mit Konga klappten ja einigermaßen.  Etwas  beschämt, aber irgendwie auch gut gelaunt, verließ ich die Bühne. Ich glaube ich ahnte damals schon, dass es besser ist, etwas schlecht zu machen, als gar nicht. Und Auftritte kann man am Besten üben, indem man sie macht.

  Ein paar Tage später meldeten sich bei mir "Die Könige der Nacht", eine junge, experimentierfreudige Jazzband von einem Musikgymnasium. Die Schwester des Schlagzeugers hatte mich im E-Werk erlebt und schwor Stein auf Bein, dass ich zu den "Königen" passen würde. Sie fand mich "genial daneben". Ich wurde also von den jungen Herren inspiziert und für passend  befunden. Und so wurde die Erlanger Kultband „Göttin Gala und die Könige der Nacht“ geboren und ich hatte meinen Platz in der Welt der Musik gefunden. Genial daneben!

  In dieser Zeit hatte ich einen Traum. Ich befand mich in einer dunklen, sehr bedrohlichen Landschaft, wurde von unheimlichen Polizei-Maschinen gejagt. Aber dann kamen die Könige der Nacht und wir haben einfach zusammen Musik gemacht und so wurde ich gerettet. Einer der wenigen Träume, die ich nie vergessen habe. Music saved my life!

  Fortsetzung folgt…

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