Briefe an die Welt!


 
Warum Briefe an die Welt?

  Früher habe ich leidenschaftlich gerne Briefe geschrieben. Im Gymnasium wurden wir auf eine internationale Vermittlung für Brieffreundschaften aufmerksam gemacht, über die ich meine Brieffreundin Riitta H. (mit zwei ii) aus Finnland gefunden habe. Wir haben uns kistenweise Briefe geschickt, manchmal einander richtige Tagebuchhefte vollgeschrieben. Als ich siebzehn war, habe ich sie per Interrail im finnischen Sommer besucht, als die Nächte dort nur zweieinhalb Stunden lang waren.  Demnach muss unsere Brieffreundschaft mindestens vier Jahre gehalten haben. Ich habe heute noch eine blaue Blechdose mit weißem Blumenmuster von ihr, in der ich jahrelang meine Tampons aufbewahrt habe.

 Ich glaube, viele Leute haben Briefe von mir. Auch ein Mädchen aus den USA namens Cathy, die genau wie ich Alice Cooper Fan war. Ich hatte gehofft, dass sie mir ein bisschen seine Texte erklären könne, die ich mir zwar mit Engelsgeduld von den Schallplatten (oder Kassetten) herausgehört hatte, aber deren Sinn ich nicht immer verstand, obwohl ich ganz gut in Englisch war. Sie meinte, sie versteht auch nicht alles. Kein Wunder! Manches geht mir ja erst heute so langsam auf...

  Liebesbriefe nach Frankreich, freundschaftliche Briefe, nachdem ich in andere Städte umgezogen war, Briefwechsel mit Leuten, die ich im Alltag sogar ab und zu gesehen habe. Irgendwann verebbte es. Briefeschreiben war einfach nicht mehr "in". Ich erinnere mich an eine Art Verbitterung, dass ich immer schrieb und nur so wenig Antworten erhielt - auch wenn die Empfänger*Innen beteuerten, dass sie sich über meine Post freuten.

  Eines Tages habe ich mir gesagt: "Ihr könnt mich mal!" und habe mit dem Briefeschreiben ziemlich aufgehört. Andere Dinge wurden wichtiger. Männer, das Studium, ein richtiger Freund. Frauenpower, Schlagzeugspielen, Bands. Eine richtige Groß-WG. Briefe wurden nur noch selten geschrieben. Zwischendurch gab es zwar einen schicksalshaften Versuch der Brieffreundschaft per Kleinanzeige mit einem schillernden, schriftstellernden Knacki aus Berlin (ich lebte damals in München) - aber diese mündete in eine Romanze und endete im Desaster. Dadurch bin ich übrigens nach Berlin gekommen, aber das ist eine andere Geschichte...

  Jetzt lebe ich -gereift- in Köln, schreibe immer noch - Lyrik, bei Gelegenheit Auftragsgedichte, Zungenbrecher, Texte, Songs, ab und zu eine Postkarte und fülle seit Jahrzehnten mal weniger mal mehr Tagebücher mit sinnhaften Schnörkeln, was in den letzten Monaten sogar zu einer fast täglichen Routine geführt hat. Mein derzeitiges Tagebuch hat sogar einen Titel: "Ich schreibe, also bin ich!"

  Und dann - erstaunlich, wie der Algorithmus Dich manchmal besser kennt als Du Dich selbst! - erschien vor kurzem im Juli 2021 eine Werbung für einen kostenlosen Workshop über das Bloggen auf meiner Facebook Timeline. "Rapid Blog Flow" lautete das Konzept von Judith Sympatexter Peters. So ungefähr: erst bloggen, dann fragen. Oder wie sie es ausdrückt: "Blog like nobody's reading!" - Genau! Da hüpfte direkt mein Fabulierherz und sagte "Ja!"

  Bloggen!!! Ohne Furcht und Tadel! Mit und ohne Punkt und Komma! Warum willst Du bloggen? Weil ich Quasselstrippe, Quatschkommode, Plaudertasche, Epenschlampe bin! Hier kann ich schreiben, was ich will und lesen wer es will, das ist wunderbar! Und Ihr könnt antworten oder Ihr könnt es lassen. Es ist alles in Ordnung und richtig. Denn jetzt schreib ich an die Welt, wiedewiede wie es mir gefällt! Und ich kann sicher sein, ich werde gelesen und selbstverständlich is "Big Brother Google" watching me und wird die Briefe schon hinaustragen an die, die sie lesen sollen und wollen.

An Dich zum Beispiel! Herzlich willkommen auf meinem Blog!

Blogg 'n Roll!



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